- Robert
- Baruch
- Geburtsdatum: 25.06.1908
- Geburtsort: St. Pölten
- www.google.at
- Sterbeort: Auschwitz
- maps.app.goo.gl
- Beruf: Beamter
- Adresse/n:
- Wienerstraße 42, St. Pölten
- Vater: Adolf
- Memorbuch
- Mutter: Hermine
- Gelb
- neuer Friedhof
- NS-Schicksal: Am 27. Juli 1938 Zwangsumsiedlung nach Wien, Flucht über Italien nach Frankreich, in Marseille verhaftet und nach Drancy überstellt. Am 28. August 1942 nach Auschwitz deportiert
- abgemeldet am: 27.07.1938
- abgemeldet nach: Wien
- Zwangsadresse:
- Drancy
- deportiert am: 28.08.1942
- deportiert nach: Auschwitz
- Steine der Erinnerung:
Robert Baruch
„Der Gefertigte ersucht höflich um die Ermäßigung seiner Kultussteuervorschreibung für das Jahr 1936 und begründet sein Ansuchen damit, dass er mit seinem Einkommen in weitgehendem Masse [!] sowohl für seine Eltern als auch für seinen schon jahrelang arbeitslosen Bruder zu sorgen hat.“ Dieses am 12. Dezember 1935 verfasste Ersuchen von Robert Baruch an den Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde St. Pölten wurde abgewiesen. Robert Baruch, am 26. Juni 1908 in St. Pölten als Sohn des Hilfsarbeiters Adolf Baruch und dessen Frau Hermine, geb. Gelb, geboren, war Beamter und lebte gemeinsam mit seinem Vater und seiner Stiefmutter Regina, geb. Hirschl, in der Wienerstraße 42. Seine Mutter war bereits 1926 gestorben, sein Bruder Siegfried, 1909 geboren, arbeitete ab 1929 in St. Pölten, Neugebäudeplatz 9a, als Friseur bzw. dürfte laut Roberts Schreiben zeitweise arbeitslos gewesen sein. Die Familie Baruch verließ am 27. Juli 1938 St. Pölten und floh zuerst nach Italien, dann weiter nach Frankreich. Die genauen Stationen von Vater Adolf sind nicht bekannt, er überlebte, starb aber, durch die Aufregungen der Verfolgung erkrankt, bereits Anfang 1946 in Nizza, Quartier du Pol. Seine Frau Regina überlebte das Lager in Gurs, das Gefängnisspital in Nizza und danach ein Versteck. Ihr Sterbedatum ist noch nicht bekannt. Auch Siegfried überlebte die Internierung in den Lagern Les Milles, Saint Nicolas und der Caserne d‘Auvare in Nizza, gründete eine Familie und zog nach dem Tod seiner Frau zu seiner Tochter in die USA. Er starb 1982 in Denver, Colorado. Erst durch die 2014 publizierten Forschungen des italienischen Historikers Paolo Veziano wurde bekannt, dass Robert Baruch und eventuell auch sein Bruder Siegfried eine wichtige Rolle in der Fluchthilfe für Jüdinnen und Juden von Italien nach Frankreich gespielt hatten. Nachdem Italien am 27. Februar 1939 ein sechs Monate gültiges sogenanntes Touristenvisum eingeführt hatte, waren nämlich etwa 4.000 jüdische Flüchtlinge eingereist, fast allen gelang die illegale Weiterreise nach Frankreich. Ein Drittel bis die Hälfte stammte aus Österreich, in 400 Fällen ist der illegale Grenzübertritt dokumentiert. Robert Baruch lebte einige Zeit mit Unterstützung der dortigen jüdischen Gemeinde in Meran, die auch seine weitere Flucht finanzierte, und schloss Freundschaft mit jüdischen Flüchtlingen. Nach seiner geglückten Flucht schickte er am 2. Juli 1939 an die Familien Spitzer und Rosenfelder in Meran einen ausführlichen Brief mit der Skizze eines Fluchtwegs, der künftigen Flüchtlingen die Orientierung erleichtern sollte. Dieser führt ausgehend von dem Dorf Grimaldi di Ventimiglia über steile Serpentinen an die italienische Grenze und in die kleine französische Stadt Menton mit ihrem Hafen Garavan. Diesen Weg benützen freiwillig und unfreiwillig Wandernde, darunter auch afrikanische Flüchtlinge, noch heute. In seinem fünfseitigen Schreiben schilderte Robert Baruch, wie er in Meran mögliche Fluchthelfer ansprach, über den Schlepperpreis von zuerst 3.000 und schließlich 200 Lire für einen Transport auf dem Boot über das Ligurische Meer verhandelte und sich für eine eigenständige Flucht über den Landweg entschied. Er trat den 4,5 km langen und durchaus gefährlichen Pfad ohne kundige Führung an und hoffte auf die Hilfe der italienischen Grenzbeamten, deren Solidarität mit den Flüchtlingen er lobte. Einige Informationen scheint Baruch durch Abkürzungen verschlüsselt zu haben, doch es kann, wie Veziano schreibt, vermutet werden, dass jeder hilfreiche Grenzbeamte, dem diese Skizze gezeigt wurde, den richtigen Weg weisen konnte. Für die Grenzmiliz war diese Hilfsbereitschaft allerdings auch die Möglichkeit, unerwünschte Migranten ohne Aufwand aus dem Land zu schaffen bzw. sich mit Schmiergeldern ihr Gehalt aufzubessern. Baruch erwähnt einige Familien, die sich ebenfalls bereits in Menton befanden – ob sie mit seiner Hilfe oder auf andere Weise geflüchtet waren, wird aus seinem Schreiben nicht klar. Kurz darauf, ab 1. August 1939, änderte das italienische Innenministerium seine Flüchtlingspolitik und drohte mit Abschiebung. Im Zuge der Maßnahmen gegen das Schlepperwesen wurde auch die Post der jüdischen Gemeinde Meran kontrolliert. Der zuständige Bozener Präfekt Guido Broise wurde auf das lange Schreiben mit der auffälligen Bleistiftskizze aufmerksam und ließ eine italienische Übersetzung anfertigen, die mitsamt der originalen Zeichnung erhalten ist. In den folgenden Monaten wurden zahlreiche jüdische Flüchtlinge in Ventimiglia und anderen Grenzorten angehalten, in Lagern interniert und schließlich in die Vernichtung deportiert. Robert Baruch ist das einzige Shoah-Opfer seiner Familie. Er wurde in Marseille verhaftet, in das Sammellager Drancy überstellt und am 28. August 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Robert Baruch
“The undersigned politely requests that his community taxes for the year 1936 be lowered and justifies this request with the fact that he requires the larger part of his income to care both for his parents and his brother, who has been unemployed for years now.” Robert Baruch sent this request to the board of the Jewish community organization in St. Pölten on 12 December 1935. His request was denied. Robert Ba ruch was born in St. Pölten on 26 June 1908 to the laborer Adolf Baruch and his wife Hermine née Gelb. He was a civil servant and lived together with his father and stepmother, Regina née Hirschl, in Wienerstraße 42. His mother had al ready passed away in 1926. His brother Siegfried, who was born in 1909, started working in St. Pölten as a hairdresser in 1929, in Neugebäudeplatz 9a. Following Robert’s letter, however, Siegfried was presumably unemployed for some time. The Baruch family left St. Pölten on 27 July 1938, fleeing first to Italy, then trav elling on to France. The father Adolf’s exact trajectory is unknown. He survived the war, but, afflicted by bad health on account of the pressures of persecution, he died in early 1946 in Nice’s Quartier du Piol. His wife Regina also survived, first in the Gurs internment camp, then in a prison hospital in Nice, and finally in hiding. Her date of death is unknown. Siegfried also survived internment in the camps at Les Milles, Saint Nicolas, and the Caserne d’Auvare in Nice. He went on to start a family and, following the death of his wife, he moved to the USA to live with his daughter. He passed away in Denver, Colorado in 1982. The Italian historian Paolo Veziano revealed in his research published in 2014 that Robert Baruch and possibly also his brother Siegfried played an important role in helping Jews flee from Italy to France. When Italy introduced socalled tourist visas on 27 February 1939, valid for six months each, some 4,000 Jewish refugees used this opportunity to enter the country, almost all of whom man aged to travel illegally on to France. Between one third and one half of this group were from Austria, of whom the illegal border crossing is documented in about 400 cases. Robert Baruch lived in Meran for a while, supported by the local Jewish com munity, who also financed his escape. He forged friendships with numerous Jewish refugees there. Following his successful escape, he sent an extensive letter to the Spitzer and Rosenfelder families in Meran, dated 2 July 1939, in cluding a sketch of his escape route intended to help future refugees orient themselves. This route led from the village of Grimaldi di Ventimiglia via steep serpentines to the small French town of Menton and its port Garavan. This route continues to be traversed, voluntarily and involuntarily, also by African refugees, to this day. In his fivepage letter, Robert Baruch described how he approached individ uals potentially willing to help refugees in Meran, negotiating their trafficking price down from 3,000 to 200 Lire for transport on a boat via the Ligurian Sea, but eventually decided to flee by himself via land. He embarked on the final stretch, a dangerous 4.5kilometer path, without any form of guidance, hoping for assistance from the Italian border officials, lauding their solidarity with the refugees. Baruch seems to have encoded some of his information through abbreviations, but as Veziano wrote, any benevolent border official who was shown the map sketch would probably have been able to point refugees in the right direction. The assistance of the border patrols was also a means to easily rid the country of unwanted migrants and/or to augment their salaries with bribes. In his letter, Baruch mentioned several families who had also made it to Menton – whether they fled with his help or via some other route is not clear from the letter. A short while later, beginning 1 August 1939, the Italian Ministry of the Interior changed its refugee policy and threatened deportation. In the context of the actions taken against trafficking, the mail of the Jewish community in Meran began to be monitored. The Bozenbased prefect Guido Broise, who was re sponsible for Meran, became aware of the long letter with the conspicuous pencildrawn sketch, and had an Italian translation prepared, which has been preserved alongside the original drawing. Over the following months, numer ous Jewish refugees were stopped in Ventimiglia and other border towns, in terned in camps, and finally deported to extermination sites. Robert Baruch is the only member of his family who fell victim to the Shoah. He was arrested in Marseille, transferred to the Drancy transit camp, and de ported to Auschwitz on 28 August 1942, where he was murdered.