- Herta
- Tieger
- hebr. Vorname: Esther Chanah
- Geburtsdatum: 04.03.1920
- Geburtsort: St. Pölten
- www.google.at
- Sterbeort: Opole
- goo.gl
- Beruf: Kindergärtnerin
- Adresse/n:
- Domgasse 7, St. Pölten
- Vater: Sigmund
- Memorbuch
- Mutter: Marie
- Kohn
- neuer Friedhof
- NS-Schicksal: Am 20. Mai 1938 in die Schönbrunnerstraße 33, Wien 5 abgemeldet, später in die Sechskrügelgasse 8, Wien 3; am 26. Februar 1941 nach Opole deportiert
- abgemeldet am: 20.05.1938
- abgemeldet nach: Schönbrunnerstraße 44, Wien 5
- Zwangsadresse:
- Sechskrügelgasse 8, Wien 3
- deportiert am: 26.02.1941
- deportiert nach: Opole
- Steine der Erinnerung:
Sigmund Tieger und seine Tochter Herta
„Zum Schluß wurde er mit seiner jungen Tochter nach Polen transportiert, wo er so schwach war, dass ihn Herta, meine Cousine, in einem Kinderwagen führen musste, bis sie dann ermordet wurden.“ (Egon Kalman, Brief an Martha Keil, 17. 10. 1996, Injoest) Der Kaufmann Sigmund Tieger, geboren am 3. Juni 1877 in Spitz an der Donau, Sohn von Adolf und Anna, geb. Stern, hatte mit seiner Frau Marie, geb. Kohn, drei Kinder: Friedrich, genannt Fritz, geboren am 15. Juni 1904 in Krems, Margarete, geboren am 18. Oktober 1905 in St. Pölten, und, mit großem Abstand, Herta Esther Chana, geboren am 3. März 1920 in Wien. Bereits mit 12 Jahren verlor Herta ihre Mutter, die am 12. Juni 1932 mit nur 55 Jahren starb und am jüdischen Friedhof St. Pölten begraben ist. Das Mädchen war in der jüdischen Gemeinde sehr engagiert, turnte im jüdischen Turnverein Makkabi und war Mitglied des zionistischen Vereins Betar. Sigmunds Neffe Egon Kalman aus Türnitz hatte während seiner St. Pöltner Schulzeit bei der Familie seines Onkels gewohnt. In einem Schreiben an das Injoest vom November 1996 berichtete er folgendes: „Einige Jahre vor dem Einmarsch kam ein Bursche zu Sigmund Tieger, er suche Arbeit, er hat nichts zu essen. Die Firma Tieger war inzwischen vom Geschäft in der Domgasse zu einem Engros-Geschäft und auch einem Gemüsestand am Domplatz geworden. So wurde der Bursche ein Hilfsarbeiter beim Gemüsestand, am Markt. Als Hitler kam, war natürlich dieser Bursche in SS-Uniform, und weil er das Geschäft übernehmen wollte, gab er den Befehl, das Geschäft zu schließen. Sobald es geschlossen war, kamen andere SS-Leute, und sagten, Mr. Tieger, alles muss offen bleiben, er würde eingesperrt, wenn er nochmals zusperrt. Kurze Zeit nachher kam der feine Bursche, es müsse sofort zugesperrt werden.“ Am 20. Mai 1938 übersiedelte Sigmund Tieger mit Fritz und Herta in sein Mietzinshaus nach Wien 5, Schönbrunnerstraße 44, und gab dort auch seiner Schwester Margarete mit ihrem Mann Hans Frank Unterkunft. Von dort musste er mit Herta an die Adresse Wien 3, Sechskrügelgasse 8, übersiedeln, die für insgesamt 37 Menschen die letzte Station vor der Deportation war. Fritz und seine Verlobte Magdalena Leb konnten im Oktober 1938 über Italien nach Palästina/Erez Israel entkommen. Margarete und Hans Frank gelang im Mai 1939 die Flucht nach Belgisch-Kongo, sie lebten dort bis zu ihrem Tod 1964 bzw. 1966. Für Sigmund und Herta Tieger gab es keine Rettung. Wie auch das Ehepaar Schmatnik, dem heuer ebenfalls ein Stein der Erinnerung gesetzt wird, wurden sie am 26. Februar 1941 in das völlig überfüllte und hygienisch katastrophale Ghetto Opole in Polen deportiert. Im Frühjahr 1942 wurde es liquidiert, von den 2008 aus Wien Deportierten überlebten nur 28. Auch Egon Kalmans Eltern waren in diesem Transport. Anfänglich hatte er noch Briefkontakt und erfuhr so die oben zitierten Einzelheiten. Vor allem Sigmund hat wohl die grauenhaften Zustände in Opole nur kurze Zeit überlebt, aber wir kennen weder seinen noch Hertas Todestag. Für seine Schwägerin Anna Tieger, geb. Braun, Witwe seines 1931 verstorbenen Bruders Moritz, wird ebenfalls ein Stein der Erinnerung gesetzt. Am 24. Februar 1941, also zwei Tage vor seiner Deportation, musste Sigmund Tieger eine „Sondervollmacht“ unterschreiben, mit der er der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ unter Adolf Eichmann die Durchführung sämtlicher Rechtsgeschäfte übertrug. Herta gab im dazugehörigen Vermögensverzeichnis ein Sparbuch mit 300 RM an, ihr Vater ein Barvermögen von 52 RM. Sogar diese kleinen Summen gingen auf das Sperrkonto der Zentralstelle. Ein höchst attraktives Raubgut war allerdings das 700 m2 umfassende, 1895 erbaute Haus mit vier Stockwerken „in günstiger Lage“ und „gutem Bauzustand“ im fünften Wiener Gemeindebezirk. Es wurde im November 1941 „zu Gunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt“ und am 27. November 1942 um 93.000 Reichsmark an drei Klagenfurter, Franz Rainer, später Landessanitätsdirektor, Wilhelm Effenberger, später Landesbaudirektor, und dessen Frau Franciska Effenberger verkauft. Am 14. Oktober 1949 wurde zwischen den Käufern und dem Erben des Enteigneten ein Vergleich geschlossen: Das Haus musste zurückgegeben werden, aber Fritz Tieger musste Franz Rainer, der fünf Siebentel des Hauses besaß, binnen drei Monaten 60.000 Schilling plus 4 Prozent Zinsen zahlen, weil dieser für Sigmund Tieger die Reichsfluchtsteuer, die Judenvermögensabgabe und andere Gebühren entrichtet hatte. Dagegen sollten ab dem 1. November 1949 die Erträge dem Antragsteller gehören. Vermutlich war Fritz Tieger nicht in der Lage, diese hohe Summe – gleichsam eine „Judenabgabe“ im Nachhinein – aufzubringen. In den Archivquellen weist nichts auf eine Restitution hin. 1965 erhielten er und nach seinem Tod 1966 seine Tochter Rachel vom „Fonds zur Abgeltung für Vermögen politischer Verfolgter“ 25.000 Schilling zugesprochen – in Anbetracht des Wertes eines Hauses im 5. Bezirk eine lächerliche Summe. 1952 hatte Fritz Tieger auch in St. Pölten versucht, das geraubte Eigentum seines Vaters zurück zu erhalten, konkret einen Lastwagen der Marke Saurer und einen Betrieb zur Erzeugung von Sauerkraut und eingelegten Gurken am Viehofnerberg. Die „Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, Außenstelle Kreisgericht St. Pölten“ lehnte die Anträge mit fadenscheinigen Argumenten ab, darüber hinaus hatte Fritz Tieger die Verfahrenskosten zu tragen. Foto: Gustav Simon © Rachel van Creveld
Sigmund Tieger and his daughter Herta
“In the end, he was transported to Poland with his young daughter, where he became so weak that Hertha, my cousin, had to move him around in a stroller until they were both murdered.” (Egon Kalman, letter to Martha Keil, 17.10.1996, Injoest) The businessman Sigmund Tieger was born in Spitz an der Donau on 3 June 1877 to Adolf and Anna, née Stern. He was married to Marie, née Kohn, with whom he had three children: Friedrich, known as Fritz, who was born in Krems on 15 June 1904; Margarete, who was born in St. Pölten on 18 October 1905; and Herta Esther Chana, who was born in Vienna significantly later on 3 March 1920. Herta lost her mother when she was only twelve years old. Anna died on 12 June 1932 aged only 55 and lies buried in the Jewish cemetery of St. Pölten. Herta was deeply involved in the Jewish community, did gymnastics with the Jewish sports association Makkabi, and was a member of the Zionist association Betar. Sigmund’s nephew Egon Kalman from Türnitz lived with his uncle’s family dur- ing the period that he attended school in St. Pölten. In a letter to the Injoest from November 1996, he reported as follows: “Some years before the ‘Anschluss‘, a boy came to Sigmund Tieger looking for work, saying he had nothing to eat. The Tieger company had by this point moved from the store in the Domgasse to a wholesale store as well as a vegetable stall on the Domplatz. So the boy was employed as a worker at the vegetable stall on the marketplace. When Hitler came, this boy naturally appeared in an SS uniform and, since he wanted to take over the business, he ordered that the store be closed. As soon as it was closed, other SS men came and told Mr. Tieger that everything must remain open. If he closed the store again, he would be locked up. A short time afterwards that fine boy came and told him to shut down immediately.” On 20 May 1938, Sigmund Tieger relocated with Fritz and Herta to an apart- ment building he owned in Schönbrunnerstraße 44 in Vienna’s fifth district, where he also put up his sister Margarete and her husband Hans Frank. He lat- er had to relocate with Herta to Sechskrügelgasse 8 in Vienna’s third district, which would be the last stop for altogether 37 people before their deportation. Fritz and his fiancée Magdalena Leb were able to flee in October 1938 via Italy to Palestine/Eretz Israel. Margarete and Hans Frank managed to flee in May 1939 to Belgian Congo, where they lived until their deaths in 1964 respevtively 1966. There was no rescue for Sigmund and Herta Tieger. Like the Schmatnik couple, for whom a Stone of Remembrance is also being placed this year, they were deported to the totally overcrowded and hygienically catastrophic Opole Ghet- to in Poland on 26 February 1941. The ghetto was liquidated in the spring of 1942 and only 28 of the 2008 deportees from Vienna survived. Egon Kalman’s parents were also on this transport. He was initially able to stay in touch by mail and thus received the above-cited information. Sigmund especially was apparently unable to endure the gruesome conditions in Opole for long, though we know neither the date of his death nor that of Herta. A Stone of Re- membrance is also placed for Sigmund’s sister-in-law Anna Tieger, née Braun, the widow of his brother Moritz, who died in 1931. On 24 February 1941, two days before his deportation, Sigmund Tieger was forced to sign a “special dispensation” authorizing the “Central Agency for Jewish Emigration” under Adolf Eichmann to handle all legal transactions on his behalf. In the corresponding property register, Herta listed a savings account with 300 RM and cash assets of 52 RM belonging to her father. Even these small sums were transferred to a frozen account of the Central Agency. The most attractive plunder, however, was the 700-square-meter building in Vienna’s fifth district, constructed in 1895, in “good structural condition”, and comprising four floors “in a convenient location”. It was “confiscated in favor of the German Empire” in November 1941 and sold for 93,000 Reichsmark on 27 November 1942 to three individuals from Klagenfurt: Franz Rainer, who would later be Health Director in Carinthia; Wilhelm Effenberger, who would later be Building Director in Carinthia, and his wife Franciska Effenberger. On 14 October 1949, a settlement was agreed between the buyers and the heir of the expropriated party: The building had to be returned, yet Fritz Tieger was required to pay Franz Rainer, who owned five sevenths of the building, the sum of 60,000 Schilling plus 4 percent interest within a period of three months, since Rainer had paid the Reich Flight Tax, the Jewish Property Tax, and other fees on behalf of Sigmund Tieger. In return, all proceeds from the building would go to the applicant from 1 November 1949 onwards. Fritz Tieger was pre- sumably unable to cough up this huge sum, basically an ex post facto “Jewish Tax”. There are no indications in the archival sources that any restitution took place. In 1965, Fritz and, after his death in 1966, his daughter Rachel received 25,000 Schilling from the “Property Compensation Fund for the Politically Per- secuted” – a pathetic sum given the actual value of a building in Vienna’s fifth district. In 1952, Fritz Tieger also tried to have his father’s property in St. Pölten restituted, specifically a truck of the Saurer brand and a factory producing sauerkraut and pickles at the Viehofnerberg. His claims were rejected on the basis of spurious arguments by the “Restitution Commission at the Vienna State Court for Civil Law, St. Pölten District Court Branch”. Fritz Tieger even had to cover the costs of the proceedings.