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Überleben in „geschützter Mischehe“

„Zittert hat man allweil, net, da sind allweil die Gerüchte kommen, jetzt kommen wir auch dran.“ (Otto Wellisch)

Einige Menschen, die nach den Nürnberger Rassengesetzen von 1935 „Voll­juden“ waren, konnten die Verfolgung am Ort überleben. Jüdische Elternteile eines „Mischlings“ sowie kinderlose jüdische Ehefrauen in aufrechter Misch­ehe waren privilegiert und wurden großteils nicht deportiert. Auch jüdische Ehemänner von „arischen“ Frauen genossen mehr Schutz. Sie überlebten, weil die Nationalsozialisten befürchteten, dass die Proteste der nichtjüdischen Angehörigen die Geheimhaltung des Vernichtungsprozesses gefährden könnten. Trotzdem zogen viele Betroffene die Flucht in das sichere Ausland vor.

Sieben St. Pöltner Jüdinnen und Juden überlebten in ihrer Heimat­stadt oder in Wien in geschützter Mischehe: Melanie Benedikt, Rudolf Bondy, Anna Mattes, geb. Gelb, Ernestine Jeschko, Alfred Kirchen­berger, Else Maurer und Otto Wellisch.


Hilde Fein, geb. Mattes, mit ihrem Großvater Wilhelm Gelb im Wiener Prater, 1941
Hilde Fein, geb. Mattes, mit ihrem Großvater Wilhelm Gelb im Wiener Prater, 1941
Anna Mattes mit ihrem Vater Wilhelm Gelb im Wiener Prater, 1941
Anna Mattes mit ihrem Vater Wilhelm Gelb im Wiener Prater, 1941
Otto Wellisch, 1938
Otto Wellisch, 1938


Otto Wellisch 
„Der Priester, der uns getraut hat in der Votivkirchen, im 38er Jahr, der hat halt immer zu mir geredet: Bleiben Sie bei Ihrem Mann, hat er gesagt, Sie schützen Ihren Mann.“
(Maria Wellisch)

Als Otto Wellisch im Jahr 1937 seine nichtjüdische Frau Maria heiratete, fragte der Standesbeamte die Braut: „In dieser Zeit tun Sie noch einen Juden heiraten?“ Nach dem Novemberpogrom wurde Otto Wellisch verhaftet und zehn Tage in Wien gefangen gehalten und misshandelt. Seine nichtjüdischen „Spezln“ – obwohl Nationalsozialisten – und seine Ehefrau bewahrten ihn vor der Deportation. Während des Krieges war Otto Wellisch Zwangsarbeiter in Eisenerz. Seine Frau musste an ihrer Wohnungstür in Wien einen „Judenstern“ anbringen, in allen Ausweisen stand „Gatte Jude“ und der Luftschutzwart ließ sie nicht in den Luftschutzkeller. In den letzten Wochen versteckte sich die Familie – inzwischen war eine Tochter geboren worden – bei Marias Mutter in Oster­burg bei Melk.

Anna Mattes, geb. Gelb und ihre Tochter Hilde
„Der Vater hat nur immer g’sagt, wenns’ euch holen, dann geh i a. Der war halt ein guter Mensch.“ 
(Hilde Fein, geb. Mattes)

Anna Mattes, die Tochter von Wilhelm und Mathilde Gelb aus Ratzersdorf, war durch ihre Ehe mit dem Nichtjuden Johann Mattes geschützt. Ihre Brüder Hermann und Rudolf wurden in Dachau inhaftiert. Anna sprach dreizehn Mal bei der Gestapo­zentrale in Wien vor, bis sie ihre Brüder schließlich freibekam. Hermann und Rudolf Gelb flüchteten über Frankreich in die Schweiz.

Anna Mattes arbeitete zuerst bei Bauern, dann in einem Rüstungs­betrieb, den Flugtechnischen Werkstätten. Der Leiter, ob­wohl Nationalsozialist, schützte sie vor Übergriffen. Die Depor­tation drohte, als sie von einer ehemaligen Schulfreundin denunziert wurde, weil sie den gelben Stern nicht trug. Doch der Gendarm verwarnte Anna nur und leitete die Anzeige nicht weiter. Ihre Tochter Hilde besuchte die Hauptschule und arbeitete dann ebenfalls in den Flugtechnischen Werkstätten:

„Im Großen und Ganzen hab ich einerseits normal gelebt, aber natürlich mit vielen Schwierigkeiten, net in die Schul gehen dürfen, nix lernen dürfen, na und die anderen G’schichten, daß amal ein Ernte­dank­fest gwesen ist und ich auch dort gwesen bin und der HJ-Führer g’schrien hat: Das Judenmädl soll sofort den Platz verlassen! Darauf ist sein Vor­gesetzter, der oberste HJ-Führer, zu mir kommen und hat g’sagt, kumm her, jetzt tanz i mit dir. Und ich hab gsagt, sag, bist du deppert, du kannst doch net mit mir tanzen. Sagt er: I kann!“

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