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NS-Zeit

Das „Referat für Fürsorge und Auswanderung“

Der größte Teil der jüdischen St. Pöltner verlor seine Existenzgrundlage. Um den in Not geratenen Menschen zu helfen, richtete die Kultusgemeinde in der Synagoge das „Referat für Fürsorge und Auswanderung“ ein, das den Emigranten die notwendigen Bestätigungen ausstellte und versuchte, sie auch finanziell zu unterstützen.

Referent war Hermann Schwarz. Für die „Fürsorgeaktion 1938“ spendeten 29 Juden, obwohl selbst in prekärer finanzieller Lage, Beträge zwischen zwei und dreißig Reichsmark (RM). Diese Summen wurden der IKG monatlich oder einmalig, je nach Finanzkraft der Betreffenden, zur Verfügung gestellt, in der allgemeinen Notlage eine besondere Leistung. Das Fürsorgereferat erhielt auch Zuschüsse von der IKG Wien.

Der Karton 3 des Stadtarchivs St. Pölten enthält rund fünfzig Ansuchen um Unterstützung. Die meisten der verarmten Juden brachten das Geld für die Flucht nicht auf und wurden deportiert und ermordet. Manchen, wie Franz Mandl, gelang mit dem bewilligten Betrag die Flucht in die Freiheit.

Die Witwe Josefine Tachau hatte drei kleine Kinder zu versorgen. Nach dem „Anschluss“ verlor sie ihre Fürsorgeunterstützung und ihre Arbeit in einem jüdischen Haushalt. Am 9. Juni 1938 wandte sie sich mit der Bitte um Hilfe an das Fürsorgereferat, „da ich sonst gezwungen wäre, einen Verzweiflungsakt zu begehen.“ Die Mutter und vermutlich auch die Kinder wurden im Februar 1941 nach Opole deportiert.

In einigen Fällen konnte das Fürsorgereferat Leben retten. Fritz Bondy, der auf Weisung der Gestapo das Reichsgebiet binnen vierzehn Tagen verlassen musste, ersuchte die IKG um eine Unterstützung „in der Mindesthöhe von 50 RM damit ich in die Lage versetzt werde, dem Auftrag der Geheimen Staatspolizei Folge zu leisten und von weiteren Folgen verschont bleibe.“ Am 11. September 1938 gewährte die IKG den rettenden Zuschuss von 20 RM, drei Tage später meldete sich Fritz Bondy nach Frankreich ab.